Zusammenhalt im Hinterland – Übersee ist bunt!
Die hinter uns liegenden Wochen waren politisch mehr als herausfordernd. Von Sachsen über Berlin bis in die USA bröckelt Demokratie leise vor sich hin und die Gesellschaft scheint gespalten wie nie.
In den Städten wird demonstriert, es gibt Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Theaterstücke - Kulturszene, die aufklärt, politisiert, aber vor allem eins schafft: Raum für Begegnungen.
Das ist auf dem Land oft nicht ganz einfach, denn hier nehmen althergebrachte Traditionen den meisten Platz für sich ein und nur selten bleibt Raum für echten, vorurteilsfreien, gesellschaftlichen Austausch.
Umso wichtiger und schöner sind Abende, wie der, den ich am 08. November im Gasthaus D´Feldwies in Übersee miterleben durfte. Im traditionsreichen, alten Festsaal der gutbayerischen Wirtschaft, am Rande eines Ortes am Chiemsee, lädt der überparteiliche und zivilgesellschaftliche Verbund „Übersee ist bunt“ ein zu einem Abend mit traditioneller Musik von Cafe Olé, die einen leidenschaftlichen Monolog über Demokratie und Toleranz des Kabarettisten Christian Springer, einrahmen.
Ein voller Saal mit prominente Gäst·innen
Anmoderiert vom Initiator Volker Eidner richtet der ehemalige Bürgermeister des Ortes ein paar Worte an das Publikum im ausverkauften Saal, danach übernimmt die 2. Bürgermeisterin Margarete Winnicher und erzählt stolz, wie offen man in der Gemeinde mit dem Zuzug von Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchteten umgehe. Erst kürzlich sei die 48. Nation in den kleinen Ort zugezogen und man käme gut zurecht. Nachdem sie die Abwesenheit des ersten Bürgermeisters Herbert Strauch erklärt und versichert hat, dass dieser das Bündnis und die Veranstaltung des Abends zweifelsohne unterstütze, werden noch anwesende Politikgrößen wie Gisela Sengl, die ehemalige Landtagsabgeordnete und Landesvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen in Bayern, herzlich begrüßt.
Und dann ist es endlich soweit – der Veranstalter Volker Eidner gibt die Bühne frei für den Kabarettisten Christian Springer.
Ein Blick ins Geschichtsbuch – nicht ohne Spitzen gegen die aktuelle Politik
Gleich zum Einstieg redet Christian Springer nicht lange um den heißen Brei herum, sondern bezeichnet Rassisten als das, was sie sind: „Arschlöcher!“ Das Publikum applaudiert zustimmend, das Eis ist gebrochen.
Als nächstes geht Springer auf die Geschichtsträchtigkeit des Datums ein – denn es ist ja der 08. November. Der Tag also, an dessen Abend vor 101 Jahren Hitler mit rund 2000 SA-Leuten auf den Bürgerbräu in München zulief um einen Putschversuch zu initiieren, der krachend scheitern wird. Und wie heute riefen die Rechten auch damals: “Berlin muss weg!“ Und wie damals spielen die Rechten auch heute auf Zeit.
Sie übernehmen langsam alles, schleichen sich in Vereinen ein, bei der Freiwilligen Feuerwehr, beim Rotes Kreuz usw., und versuchen auf diese Weise mehr und mehr Einfluss zu gewinnen.
Nochmal hebt Springer hervor, wie viel Erinnerung an dem Tag hängt, an diesem 09. November. An solch einem, im Jahr 1938, fanden mit der Reichspogromnacht wohl einige der dunkelsten Stunden Deutschlands statt – während am selben Datum im Jahr 1989 nach 28 Jahren, 2 Monaten und 28 Tagen die Berliner Mauer fiel und das Land in einer seiner hellsten Stunden endlich wiedervereint war.
Christian Springer gibt den gebannt Zuhörenden auch immer wieder Einblicke in seine Arbeit für und mit der von ihm vor 12 Jahren gegründeten Organisation „Orienthelfer e. V.“ Geschichten, die einen erschüttern auf der einen, Hilfe die Hoffnung macht auf der anderen Seite.
Standing Ovation erhält Springer für das Abkanzeln von Markus Söder: “Solche verlogenen Politiker kann ich nicht gebrauchen!!“ Der Saal tobt und auch Gisela Sengel ergibt sich tosendem Applaus.
So lange es uns gibt, gibt es Hoffnung!
Zum Schluss wird Christian Springer nochmal deutlich:
„Es gab noch keinen einzigen Staat, der von Rechtsradikalismus regiert wurde und es wurde gut. Rechtsextremismus ist immer Gewalt und am Ende Ermordung. Und es ist noch kein einziger Staat untergegangen, weil er sich vernünftig und gerecht um seine Bürger gekümmert hat. Wenn Staaten bankrott gehen, dann wegen Gier und Pleitegeschäften!
Angesichts all der schrecklichen Ereignisse der vergangenen Wochen können wir heute traurig sein, aber morgen müssen wir wieder aufstehen und kämpfen. Der volle Saal zeigt, dass wir viele sind. Wir sind heute noch die Mehrheit und wir werden dafür sorgen, dass unsere Kinder nicht in einem AfD-Land aufwachsen, sondern in einer Demokratie!“
Erneut erbebt der Saal unter tosendem Applaus und anhaltenden Standing Ovation – ein Gefühl der Gemeinsamkeit, das ich hier im ländlichen Raum in den letzten 20 Jahren nur selten erlebt habe. Ein Gefühl, das Hoffnung macht.
Auch Volker Eidner betont zum Abschied:
„Wir werden in Übersee nicht die Welt retten, aber wir können zum Nachdenken anregen und uns einsetzen, für eine tolerante und bunte Gesellschaft!“
Auch, wenn das alles natürlich nur ein Momentaufnahme ist, verlasse ich den Saal an diesem Abend mit einem wohligen Gefühl. Einem Gefühl von Zusammenhalt und gemeinsamen Kampfgeist. Noch gibt es uns – und so lange es uns gibt, gibt es Hoffnung!
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