„Es gibt keine einheitliche grüne Stimme in Spanien“
Im spanischen Kongress ist aktuell keine grüne Parlamentsfraktion vertreten. Die grüne Partei „Equo“ spielt auf nationaler Ebene kaum eine Rolle. Der Historiker Andreas Jünger erklärt die Hintergründe
Ein Blick in den spanischen Kongress zeigt, dass 52 der 350 Sitze einer Fraktion mit grüner Farbe zugeordnet werden können. Allerdings handelt es sich dabei um die rechtsextreme Partei Vox, die wenig mit grüner Politik zu tun hat. Während die Grünen einen Teil der Regierung in Deutschland und Österreich stellen, sind sie in Spanien eine kaum ernstzunehmende Oppositionskraft im Parlament.
Im Gespräch mit Alerta erklärt der Historiker Andreas Jünger die Probleme bei der Etablierung einer grüner Partei in Spanien und welche Themen im ökologischen Diskurs im Vordergrund stehen.
Wie ist die aktuelle Situation der grünen Bewegung in Spanien?
Der parteipolitische Erfolg der grünen Bewegung ist überschaubar. Es gibt keine eigenständige grüne Partei als Parlamentsfraktion im spanischen Kongress. Das heißt jedoch nicht, dass keine grünen Abgeordneten im Kongress zu finden sind. Zum einen wäre da Inés Sabanés, die der klassisch grünen Partei Verdes-Equoangehört und zum anderen könnte man auch noch Íñigo Errejón von Más Paísdazuzählen. Immerhin gehören beide der gleichen pluralen Parlamentsfraktion an und arbeiten auch in Form eines Bündnisses zusammen.
Errejón war ja ursprünglich bei der linkspopulistischen Partei Podemos.
Er saß für Podemos sogar im Kongress, brach dann aber mit der Partei und schloß sich der regionalen Bewegung Más Madrid an. Zusammen mit der damaligen Bürgermeisterin Manuela Carmena hat er die Bewegung dann aufgebaut. Trotz einiger Wahlerfolge auf lokaler und regionaler Ebene erreichte die daraus entstandende Partei Más País bei der nationalen Wahl 2019 nur schwache Ergebnisse.
Für einen Sitz reichte es jedoch und so kam Errejón wieder in den Kongress. Sowohl Más País und Equo sind aktuell die parteipolitischen Hoffnungsschimmer der grünen Bewegung in Spanien. Nach außen versuchen sie auch so wahrgenommen zu werden und sehen sich als Teil einer grünen Welle, die ja in anderen europäischen Ländern durchaus erfolgreich ist.
Es drängt sich natürlich die Frage auf, warum sich bisher keine grüne Partei in Spanien etablieren konnte.
Man könnte eine ganze Reihe von Gründen nennen. Ich werde mich auf zwei Faktoren fokussieren, die eng miteinander verknüpft sind. Zum einen spielen regionale Identitäten in Spanien eine sehr wichtige Rolle, die sich in der Ablehnung zentralistischer Strukturen manifestiert. Zum anderen hat man immer wieder die Erfahrung von Zerwürfnissen gemacht.
Der Gründung der Partei Los Verdes (Die Grünen) im Jahr 1984 ging das Manifest von Teneriffa voraus. Vor Ort war etwa auch die deutsche Grüne Petra Kelly, die den Prozess begleitet hat. Die deutschen Grünen hatten durchaus eine Vorbildfunktion, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits im Bundestag vertreten waren.
Dennoch war die Parteigründung in Spanien in der ökologischen Bewegung hoch umstritten. Schlussendlich kam es zu regionalen Abspaltungen und Neugründungen auf nationaler Ebene, so dass es keine einheitliche grüne Stimme in Spanien gab. Unterdessen kam es zu Wahlbündnissen mit anderen Parteien, wie etwa der Izquierda Unida (IU).
Wahlerfolge blieben, mit wenigen regionalen Ausnahmen als Anhängsel eines Bündnisses, jedoch aus. 2011 wurde der Versuch unternommen aus diesem Wust an grünen Parteien eine einheitliche zu formen. Daraus entstand Equo, die jedoch national ohne nennenswerte Wahlergebnisse geblieben ist. Wie schon erwähnt, arbeitet Equo eng mit Más País zusammen und aktuell ist unklar, wie sich das weiter entwickeln wird.
Wie war das Verhältnis zur sozialdemokratischen PSOE?
Einige Personen aus der Ökobewegung sind der PSOE beigetreten in der Hoffnung, dass es mit der Partei zu einem Wandel kommt. Schnell wurde jedoch deutlich, dass die PSOE unter Ministerpräsident Felipe González vereinfacht gesagt auf Wachstum und Arbeitsplätze setzte, auch zu Lasten einer umweltverträglichen Politik. Außerdem kam es zu weiteren Enttäuschungen, wie etwa beim Referendum über den NATO-Beitritt im Jahr 1986, bei dem die PSOE ihre Haltung zugunsten eines Beitritts geändert hatte. Dagegen gab es Proteste in den ökologischen Bewegungen.
Die PSOE ist seit Mitte der 70er Jahre stark von der Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützt worden. Ähnliche Unterstützung fehlte etwa bei Los Verdes. Es gab wohl einmal eine Debatte in der Heinrich-Böll-Stiftung, ob man in Spanien aktiv wird. Letztlich wurde man nicht aktiv, weil der Fokus in den 90er Jahren eher auf Osteuropa gelegt wurde. Wenn ich mit spanischen Grünen rede, wird häufig über die fehlende organisatorische und finanzielle Unterstützung aus Deutschland lamentiert.
Wenn wir in die 70er Jahre blicken, etablierte sich in Deutschland eine Anti-Atomkraftbewegung, aus der unter anderem auch die Grünen hervorgingen. Zur gleichen Zeit befand sich Spanien in einer ganz anderen Situation: Der Diktator Francisco Franco starb im November 1975 und erst ab diesem Zeitpunkt begann sich das Land langsam zu öffnen. Gab es überhaupt eine grüne Bewegung während des Franquismus?
Zuerst muss man festhalten, dass das Franco-Regime zahlreiche sozial-ökologische Probleme verursacht oder verschärft hat. Somit waren ökologische Fragen hochrelevant zu dieser Zeit. In älteren Überblickswerken wird oft der Eindruck vermittelt, dass nach dem Tod Francos plötzlich eine ökologische Bewegung in Spanien auftauchte. Das ist definitiv falsch.
Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts kann man Bewegungen identifizieren, die mit der Lebensreformbewegung im deutschsprachigen Raum Ähnlichkeiten hatten. Als Beispiel wäre hier der Naturismo zu nennen, eine Naturheilkundebewegung, die auch aus Deutschland beeinflusst wurde. Aber auch Themen wie vegetarische Ernährung, gesunder Körper und Geist oder Freikörperkultur gab es in Spanien.
In den 40er und 50er Jahren wurde der Einfluss von Naturschützer•innen relevant. Wissenschaftler, Landbesitzer und Jäger, die nicht primär gegen das Regime agierten, schlossen sich zusammen und betonten die Wichtigkeit des Naturschutzes für eine modernen Entwicklung des Staates. So konnte man es damals dem Staat gut verkaufen und dessen Interesse für Fragen des Naturschutzes wecken.
In den 50er Jahren konnte ein Zusammenspiel aus aristokratischen Landbesitzern und eines bekannten Ornithologen erreichen, dass ein Feuchtgebiet in der Doñana vor dem Bau einer Baumplantage geschützt wurde.
In den 60er Jahren wurden Umweltthemen in der Bevölkerung bekannter gemacht, zum Beispiel durch Dokumentationen mit Félix Samuel Rodríguez de la Fuente. Zur gleichen Zeit beschäftigten sich die Nachbarschaftsvereine auch mehr und mehr mit der Thematik.
Gerade in den letzten Jahren der Diktatur waren sie ein wichtiger Teil der antifranquistischen Opposition. Dort gab es nicht nur Naturschützer•innen, sondern Umweltschützer•innen (ecologistas), auch im Sinne einer politischen Ökologie. Diese kritisierten das politische und wirtschaftliche System des Franquismus aber auch das der industrialisierten westlichen Konsumgesellschaft.
Weitere Themen der ecologistas waren städtische Themen der Arbeiterschicht und deren Lebenssituation, wie etwa die Belastung durch Luft- und Gewässerverschmutzung. Nicht zuletzt spielte auch die Anti-Atomkraftbewegung eine große Rolle. 1968 ging das erste Atomkraftwerk in Spanien ans Netz. Die spanische Anti-Atomkraftbewegung war zum großen Teil eine antifranquistische Bewegung – es ging weniger um ökologische Fragen, als um Systemkritik.
Während der Diktatur gründeten sich auch die ersten Umweltverbände. Da Naturschutz schon früh vom Regime als politisches Thema aufgegriffen wurde, wurde Umweltschutz nicht als subversiv eingestuft – im Gegensatz zu sozialistischen oder kommunistischen Gruppen.
Nach dem Tod Francos gab es große Demonstrationen von Umwelt- und Anti-Atomkraftbewegungen, vor allem in Katalonien und im Baskenland, mit bis zu 200 000 Menschen. Trotz der Versuche Parteien zu gründen, kam es schnell zur Fragmentierung von ökologischen Kräften. Hinzu kommt, dass immer neue Themen in den Diskurs traten, wie etwa Anfang der 80er Jahre die ökologische Landwirtschaft.
Inwiefern hat die anarchosyndikalistische Tradition der spanischen Linken Einfluss auf die Nicht-Etablierung einer Partei?
Das wird als Faktor in der Forschung genannt, ist meiner Meinung nach aber empirisch schwer feststellbar. Es gibt in den anarchistischen und anarchosyndikalistsichen Kreisen eine Ablehnung von Parteipolitik. Gleichzeitig gibt es eine Nähe des Anarchismus zu ökologischen Fragen.
Der bereits erwähnte Naturismo hatte zahlreiche Überschneidungen mit der anarchistischen Bewegung. Es gab im Anarchismus die Vorstellung vom Leben im Einklang mit der Natur, die jedoch nur in der wirklichen Freiheit, also dem Anarchismus, umgesetzt werden kann.
Das war auch der Kritikpunkt der Anarchist•innen an die Naturismobewegung, da diese die Systemfrage nicht stellte. Auch lehnten sie bereits Anfang des 20. Jahrhunderts Gewalt an Tieren ab, wie etwa beim Stierkampf, was in Spanien ein wichtiges Thema ist.
Insgesamt würde ich jedoch sagen, dass der theoretische und ideologische Einfluss des Anarchosyndikalismus auf die ökologische Bewegung relativ schwach ist. Man kann natürlich Ausnahmen finden. Der bereits erwähnte Íñigo Errejón beispielsweise war als Jugendlicher in anarchistischen Gruppen sehr aktiv. Interessanterweise ist sein Vater Gründungsmitglied der ersten Grünen in Spanien. Das sind jedoch mehr einzelne Anekdoten, aus denen man keine Analyse ziehen kann.
In den letzten Jahren spielte “España Vaciada” eine größere Rolle im politischen Diskurs. Es geht dabei um die vernachlässigten ländlichen Gebiete. Stellt dies nicht eine große Chance für die Ökobewegung dar?
Auch diese Entwicklung ist auf die Diktatur zurückzuführen. Damals sind Madrid und Barcelona gewachsen und die Provinzen im Landesinneren wurden leerer. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Vor allem ist hier eine fehlende Landreform zu nennen, mit einer Agrarstruktur, die Großgrundbesitz bevorzugte. Durch die Mechanisierung der Landwirtschaft verloren viele Arbeitskräfte ihre Jobs auf dem Land und wanderten in die Städte ab.
So wie sich die Situation aktuell darstellt, sehe ich darin eher keine Chance für die Ökobewegung. Einerseits sind die grünen Parteien Spaniens, wie auch in anderen europäischen Ländern, primär Teil eines urbanen Milieus und das wirkt sich auf die Wahrnehmung der Parteien, aber auch auf ihre Agenda aus. Auf dem Land spielen Traditionen eine größere Rolle, während die grünen Parteien eher einer politisch-progressiven Bewegung angehören.
Bei queeren oder feministischen Themen stößt man auf dem Land wohl eher auf Vorbehalte. Gleichzeitig gibt es auch städtische Diskurse, die den ländlichen Raum und Lebensrealität ausblenden oder idealisieren. Dazu gibt es das hervorragende Buch “Tierra de Mujeres” von María Sánchez, die genau darüberschreibt.
Andererseits wird bei diesem Thema wieder deutlich, wie zersplittert die parteipolitischen Bewegungen in Spanien sind. In vielen Gegenden haben langjährige Akteure das Vertrauen der Bevölkerung wegen realer Probleme, wie etwa fehlender Infrastruktur oder grundlegende Versorgungs- und Dienstleistungsprobleme, verloren.
Darum kommt es oft zu Neugründungen, wie etwa die Partei Teruel Existe, die vor der Wahl ihres Abgeordneten in den Kongress im Jahr 2019 Teil eines größeren Protests vieler Regionen war. Mittlerweile hat sich eine neue Partei mit dem Namen España Vaciada gegründet, die wahrscheinlich bei den nächsten Wahlen antreten wird und somit auch eine Konkurrenz für die grünen Parteien darstellt. Das heißt, dass sich neue Bewegungen gegründet und nicht etwa die grünen Parteien die Lücke geschlossen haben. Darum sehe ich das als ein schwieriges Feld für diese Parteien.
Welche Themen dominieren den ökologischen Diskurs in Spanien?
Ganz aktuell diskutiert Spanien über das Thema Fleischkonsum und industrielle Massentierhaltung. Das hat im Land des Jamón durchaus Züge eines Kulturkampfes. Man sieht ganz deutlich, dass einige Regionen auf wirtschaftliche Interessen setzen und diese vor sozial-ökologische Aspekte stellen.
Allgemeiner lässt sich sagen, dass die Verschmutzung von urbanen und ländlichen Räumen ein wichtiges Thema im ökologischen Diskurs war und ist. In den Städten geht es um Luftverschmutzung und auf dem Land um Verschmutzungen, die die agrarindustrielle Landwirtschaft mit Pestiziden und Überdünnung verursacht. Das wurde letztes Jahr in der Salzwasserlagune Mar Menor in der Region Murcia deutlich. Dort kam es durch die Überdünnung zu einer massiven Algenblüte und Infolgedessen zu Fischsterben.
Ein weiteres Thema ist das Wasser, das in der Geschichte Spaniens eine wichtige Rolle einnimmt. Anfang des 20. Jahrhunderts und während der Diktatur ging es lange Zeit um Wasserspeicherung, den Austausch von Wasserkapazitäten zwischen verschiedenen Regionen oder um den Bau von Staudämmen und Kanälen, die natürlich auch mit ökologischen Folgeerscheinungen einhergingen – sowohl mit positiven als auch mit negativen.
Aktuell ist das Thema Wasserverbrauch eng verknüpft mit Tourismus und Landwirtschaft. Die Ausweitung von Anbaugebieten forciert dieses Problem. Als Beispiel wäre hier das Plastikmeer von Almería zu nennen. Die Plastikgewächshäuser haben sich dort seit den 60er Jahren massiv ausgedehnt und beuten die dortigen Grundwasserreserven aus. Der Klimawandel, der unumstritten das Thema des Jahrhunderts in Spanien sein wird, verschärft diese Situation.
Wie du bereits angesprochen hast, diskutiert Spanien über den Fleischkonsum. Diese Diskussion wurde vom kommunistischen Minister Alberto Garzón ausgelöst, als er in “The Guardian” die macrogranjas, also industrielle Megafarmen, kritisierte. Wie glaubhaft ist die etablierte politische Linke bei grünen Themen?
Die IU war lange Zeit der natürliche Partner der grünen Parteien. Bei den Mitgliedern der IU sollte also ein Bewusstsein für diese Themen vorhanden sein. Außerdem waren bei der Gründung der Partei 1986 einige ökologische Kräfte dabei. Nach der Gründung von Podemos gab es einen Zusammenschluss der Parteien unter dem Namen Unidos Podemos, zu der auch die grünen Equo gehörte. Man kann daher sagen, dass es ein Verständnis gibt, dass ökologische Themen Teil linker Politik sind.
Gleichzeitig werden diese Parteien aber auch kritisiert. Lange waren die kleinen grünen Parteien ein Anhängsel der größeren linken Parteien, um ein paar grüne Stimmen abzugreifen. In diesem Kontext ist vielleicht eine Person ganz interessant: Juan López de Uralde.
Er war bis 2010 der Chefsprecher von Greenpeace in Spanien und 2011 Mitgründer der Partei Equo. Diese verließ er aber 2019, da sich Equo nicht von der Gemeinschaftskandidatur mit Podemos abhängig machen wollte. Im Sommer letzten Jahres hat López de Uralde dann eine neue Partei mit dem Namen Alianza Verde gegründet, die sich als Teil von Unidas Podemos sieht. Interessant ist, dass es für ihn scheinbar nicht reichte, Mitglied von Podemos zu sein, sondern es musste eine neue Partei gegründet werden, die linke und ökologische Positionen besetzt.
Teile von Podemos hatten dies bereits in der Vergangenheit versucht, in dem sie an die Tradition der Nachbarschaftsvereine in der Diktatur anknüpften. Es ging somit vorrangig um die Unterstützung und Organisation lokaler Communities, um das Thema Umweltgerechtigkeit in den lokalen Kontexten hervorzuheben. Sowohl Podemos als auch Izquierda Unida sind aktuell Mitglied der spanischen Regierung. Rückblickend wird man da eine ökologische Bilanz ziehen können.
In Deutschland spielt Fridays For Future eine große Rolle innerhalb der Klimabewegung. Wie steht es um den spanischen Ableger?
Fridays for Future nimmt global gesehen eine herausragende Stellung in Deutschland ein, egal ob bei der Anzahl der Demonstrierenden oder der aktiven Ortsgruppen. Da kommt niemand an Deutschland ran. Darum ist die Verwunderung aus Deutschland oft groß, wenn man auf die Bewegungen in anderen Ländern blickt.
In Spanien gibt es Fridays for Future seit Anfang 2019, somit ein bisschen später als in Deutschland. Die erste Demonstration war eine Handvoll Studierende in Girona. Erstmals in Gänze sichtbar wurde Fridays For Future in Spanien beim ersten globalen Klimastreik im März 2019. Ich war damals zufällig in Sevilla und habe das vor Ort gesehen. Es war eine große und beeindruckende Demonstration.
Tatsächlich war es dann so, dass bereits Ende 2019 die Teilnahme an den Klimastreiks und das Engagement der Ortsgruppen deutlich nachließen – trotz Ereignissen wie der Klimakonferenz in Madrid im Dezember 2019, die von einer Massendemonstration mit viel Unterstützung aus dem Ausland begleitet wurde.
Soweit ich das sehen kann, fokussieren sich die verbliebenden aktiven Fridays for Future Gruppen auf Probleme vor Ort. Es gibt Kooperationen mit lokalen NGOs und einige wenige nationale Aktionen und Kampagnen, wie etwa eine gemeinsame Klage mit Greenpeace gegen die spanische Regierung, da Spanien ihre internationale Verpflichtung zur CO2-Reduktion in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht eingehalten hat. Ein Urteil wird in diesem Jahr erwartet.
Beim letzten globalen Klimastreik im Oktober 2021 hatten die Fridays for FutureGruppen in Spanien das Thema nachhaltige Mobilität in den Vordergrund gestellt. Insgesamt kann man aber sagen, dass sie in Spanien deutlich weniger Einfluss auf die öffentliche Debatte hat, als es zum Beispiel in Deutschland der Fall ist. Es gibt auch keine bekannten medialen Gesichter.
Hinzu kommt, dass auch in der Klimabewegung in Spanien eine große Fragmentation zu beobachten ist. Im Gegensatz dazu, besitzt Fridays For Future in Deutschland fast eine hegemoniale Stellung im Klimaaktivismus. Neben traditionellen NGOs, wie etwa Greenpeace, spielen in Spanien auch andere Gruppen in der Klimabewegung eine wichtige Rolle. Hier sind beispielsweise Rebelión por el Clima zu nennen, oder die internationale Gruppierung Extinction Rebellion.
Man wird nun mit Blick auf die ökonomischen Folgen der Pandemie sehen müssen, wie sich das politische Engagement weiterentwickelt. Da gibt es noch viele Fragezeichen. Klar ist jedoch, dass die zunehmende Sichtbarkeit der Klimakrise ein unausweichliches Phänomen darstellt und dabei die Formierung neuer ökologischer Akteur•innen einer neuen Generation spannend zu beobachten sein wird.
Andreas Jünger hat Geschichte und Romanistik studiert. Seine Interessen umfassen ökologischen Landbau, die Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte Deutschlands, Spaniens und Chiles im 20. und 21. Jahrhundert, sowie die Geschichte grüner Parteien und ökologischer Bewegungen. Aktuell arbeitet er an seiner Dissertation zu dem Thema Ideas, Politics, and Materialities: A Socio-Environmental History of Organic Farming in Andalusia