Einblick in den Spanischen Bürgerkrieg
Die britische Historikerin Helen Graham legt mit „Der Spanische Bürgerkrieg” eine prägnante Kurzgeschichte des Krieges vor.
Obwohl Publikationen über den spanischen Bürgerkrieg en masse vorhanden sind (Graham spricht von über 15.000), ist es schwierig, gute Literatur auf Deutsch zu finden. Standardwerke von Historikern wie Hugh Thomas (The Spanish Civil War), Raymond Carr (Spain 1808-1939), Gabriel Jackson (The Spanish Republic and the Civil War, 1931-39) oder Paul Preston (u.a. The Spanish Civil War. Reaction, Revolution and Revenge) sind etwa in der Originalsprache auf Englisch oder in einer spanischen Übersetzung erhältlich, doch von einer deutschen fehlt jede Spur. Ein Grund dafür könnte sein, dass es sich bei diesen Büchern um wahre Brocken handelt: Hugh Thomas’ Werk zählt alleine über 1000 Seiten.
In dieser Hinsicht ist das Buch Der Spanische Bürgerkrieg der britischen Historikerin Helen Graham gleich ein zweifacher Glücksgriff für das deutsche Publikum: auf nur 232 Seiten führt sie die Leser·innen durch das „spanische Labyrinth” (Gerald Brenan) und dann auch noch in einer deutschen Fassung, die als gelbes Reclam Buch preisgünstig erhältlich ist – bzw. war, da das Buch nicht mehr vom Verlag vertrieben wird. Daher beruht diese Rezension auf der englischen Originalfassung des Buches.
Reform und Republik
Weder der Aufbau noch die Argumentation des Einführungsbuches sind überraschend: Zuerst erläutert Graham die Hintergründe und Ursachen des Bürgerkrieges, die sie relativ kompakt und ohne sich in Detailfragen zu verlieren wiedergibt. Insgesamt hangelt sie sich an dem Thema der mehrfach gespaltenen Gesellschaft entlang, die schlussendlich an einem Modernisierungsprozess scheitert – wohlgemerkt nicht wegen des Prozesses an sich, sondern weil reaktionäre Kräfte wussten, ihn zu verhindern.
Grahams Betrachtung der spanischen Republik fällt relativ kurz aus, doch umfasst sie die wichtigsten Punkte: Anfänglicher Enthusiasmus und übergroße Ambitionen scheiterten am Mangel an tatsächlicher Macht. So wurden notwendige republikanische Reformen blockiert und blieben dadurch weit hinter den hohen Erwartungen zurück. Außerdem attestiert Graham der republikanischen Führung eine ausgeprägte Intellektualität, die nur anhand der sozialistischen PSOE die Massen mobilisieren konnte. Zur Ergänzung lohnt an dieser Stelle ein Blick in Grahams Hauptwerk: „The Spanish Republic at War“.
Während die reformistischen Kräfte um ihr politisches Projekt kämpften, organisierte sich im rechten Spektrum ein Konglomerat aus monarchistischen, antiliberalen, autoritär-konservativen, faschistischen und militärischen Kräften. Auch wenn sie aus unterschiedlichen politischen, kulturellen und historischen Traditionen stammten, teilten sie ein Ziel: Die Republik mit ihrer liberalen Modernisierungspolitik musste beseitigt werden. Spätestens nach dem Sieg der linken Volksfront im Februar 1936 waren bei konspirativen Militärs die Würfel gefallen.
Putsch und Krieg
Somit begann der spanische Bürgerkrieg mit einem Militärputsch, der in der spanischen Geschichte Teil einer langen Tradition war. Allein zwischen 1923 und 1936 gab es in Spanien fünf Militärputsche – einer davon republikanisch. Doch der Putsch im Juli 1936 nahm eine andere Dimension an: Zum einen war das erklärte Ziel der Militärs, Spanien zu „reinigen” und alle progressiven Elemente zu beseitigen. Außergerichtliche Hinrichtungen von „roten” Bürgermeistern, Parteifunktionären oder Intellektuellen waren an der Tagesordnung.
Hierbei erwähnt Graham auch den psychischen Terror, der etwa dazu führte, dass nicht einmal das Zuhause ein sicherer Platz war. Zum anderen nahm der Putsch früh eine internationale Komponente an. Graham macht deutlich, dass der Erfolg der Militärs vom Engagement Nazideutschlands und des faschistischen Italiens abhing.
Eben jene internationale Solidarität blieb der spanischen Republik aufgrund der Nichteinmischung Frankreichs und Großbritanniens verwehrt, was dazu führte, dass die Republik nie in der Lage war, große Gebiete zurückzugewinnen und eine Annäherung an die Sowjetunion notwendig machte. Dabei geht Graham auch auf die Behauptung ein, dass die spanische Republik „sowjetisiert” wurde. Dies ist Teil einer längeren Argumentation, die den Putsch als eine notwendige Reaktion auf die bevorstehende kommunistische Revolution in Spanien sieht. Die britische Historikerin widerspricht dem vehement mit dem Argument, dass das franquistische Spanien nie als deutsch oder italienisch unterwandert gesehen wurde. Außerdem werde der tatsächliche Einfluss der Sowjetunion in der Republik maßlos überschätzt.
Besonders positiv bewertet Graham den sozialistischen Ministerpräsidenten der Republik, Juan Negrín. Bis zum Schluss versuchte dieser anhand seiner persönlichen Kontakte die internationale Situation zugunsten der Republik zu ändern. Obwohl sich die Republik ihrer demokratischen Prinzipien treu blieb und sich in einer äußerst ungünstigen Lage befand, schlug sie sich wacker.
Negrín wusste, dass eine mögliche Friedensverhandlung mit internationaler Vermittlung nur dann ernsthaft möglich war, wenn sich die Republik militärisch wehrhaft zeigte. Franco, der durch persönlichen Ehrgeiz und einigen Zufällen zum Generalísimo wurde, hatte jedoch kein Interesse an einem Kompromiss. Sehr zum Ärger seiner Verbündeten drängte er darauf, keinen Zentimeter an den Feind abzugeben und erst den Sieg zu verkünden, wenn er ganz Spanien sowohl territorial als auch politisch-kulturell „befreit” hatte. Dies verlängerte zwar den Krieg, aber er konnte sich so seiner Hegemonie sicher sein.
Folgen und Erinnerung
Gemischt fällt das Fazit über die letzten beiden Kapitel des Buches aus, was jedoch mehr mit der Form als mit dem Inhalt zu tun hat. Für ein Einführungsbuch in die Thematik behandelt Graham die an den Bürgerkrieg anschließende Franco-Diktatur mit Ausführlichkeit und kann so nur ein unzureichendes Bild des Regimes liefern. Notwendigerweise beschränkt sich die Historikerin primär auf die unmittelbare Nachkriegszeit (bis 1945), doch mit Blick auf die Länge des Buches wäre eine etwas prägnantere Abhandlung wünschenswert gewesen, insbesondere, wenn man bedenkt, dass Graham etwa eine genauere Analyse der Rolle der äußerst mitgliederstarken anarchosyndikalistischen Gewerkschaft Confederación Nacional del Trabajo (CNT) in der Republik und während des Bürgerkrieges weggelassen hat.
Auch kann ihre Analyse über den „Pakt des Schweigens” nach Francos Tod nur bedingt überzeugen. Sie nutzt dabei das weitverbreitete Argument, dass franquistische Eliten der Demokratisierung Spaniens nur gegen politische Amnestie zugestimmt hätten. Diese Betrachtungsweise ist verkürzt und vernachlässigt etwa die Rolle der Partido Comunista de España (PCE) in dieser Zeit. Insbesondere das heutzutage äußerst umstrittene Amnestiegesetz (1977), das alle politischen Straftaten, und somit alle politischen Verbrechen während der Franco-Diktatur und des Bürgerkrieges amnestierte, wurde in der endgültigen Form von antifranquistischen Parteien wie der sozialistischen PSOE und der kommunistischen PCE offen unterstützt.
Dafür gab es zwei Gründe: Zum einen saßen zum Zeitpunkt der Debatte noch viele linke politische Gefangene in den spanischen Gefängnissen, allen voran baskische Nationalisten, die ebenfalls von der Amnestie profitierten. Zum anderen sahen die Kommunist·innen auch die Notwendigkeit, das Kriegsbeil ein für alle mal zu begraben, so dass ein Neuanfang nicht an den alten Konflikten scheiterte. „Wie sollten wir, die wir uns gegenseitig umgebracht hatten, uns versöhnen, wenn wir diese Vergangenheit nicht ein für alle Mal auslöschten?”, fragte der damalige Fraktionsvorsitzende der PCE.
Von diesen Kleinigkeiten abgesehen, ist insbesondere das letzte Kapitel lesenswert. Darin behandelt Graham die Frage nach der Erinnerungspolitik und die politische Instrumentalisierung der jüngsten spanischen Geschichte. Zu Beginn des neuen Jahrtausends begann die Enkelgeneration den „Pakt des Schweigen” zu brechen und stellte Fragen, die vorher tabu waren. Private Initiativen gründeten sich, um Massengräber ausfindig zu machen und die Toten zu identifizieren. Gleichzeitig erlebte revisionistische Literatur, die sich größtenteils auf Francopropaganda stützt, eine Renaissance.
Wer sich für die aktuellen Debatten über die spanische Erinnerungspolitik interessiert, wird in diesem Buch aufgrund des Alters nicht fündig werden. Wer jedoch ein kurzes, gut geschriebenes Einführungsbuch über eines der Schlüsselmomente des 20. Jahrhunderts lesen möchte, der/die wird um Helen Grahams Werk keinen Bogen machen können – wenn auch eine deutsche Fassung gebraucht gekauft werden muss.
The Spanish Civil War. A Very Short Introduction
Helen Graham
Oxford University Press 2005, 192 Seiten
£8.99