Alia iacta est – sind die Würfel schon gefallen?
Was ist in den letzten Wochen in Sachen Klimaschutz passiert? Luca Barakat gibt den notwendigen Überblick über nationale und internationale Entwicklungen.
Der März war – wie eigentlich fast jeder Monat seit Jahren – politisch durchwachsen. Die Ampel setzte viele wichtige sozialpolitische Forderungen durch. Sei es das Selbstbestimmungsgesetz, das Ende des Blutspendeverbots für Homo- und bisexuelle Männer oder die Entkriminalisierung von Cannabis. Was das Klima angeht, steht die Ampel allerdings still. Die – jetzt sofort – nötigen Reformen und Maßnahmen zur CO2 Reduktion werden vor allem von der FDP, aber auch von SPD und Grünen aufgeschoben oder schlicht ignoriert.
FDP bremst
Verkehrsminister Volker Wissing hat sich gegen das Europäische Verbrenneraus gestellt. Wissing begründete die Blockade mit den angeblich rasanten Entwicklung in der Efuel-Forschung. Diese dürften nicht durch ein Verbot ausgestochen werden. Nach Wochen intensiver Verhandlungen zwischen der EU und dem Verkehrsministerium hatte man sich dann geeinigt, Verbrenner mit „CO2-neutralem Ausstoß” auch nach 2035 zuzulassen. Zu der sich stellenden Frage, in welchem Universum E-Fuels umweltfreundlich oder bezahlbar seien, hat Wissing sich bisher noch nicht ausreichend geäußert.
Die Ampel hat sich Ende März zu einer Klausurtagung getroffen, um unter anderem über Klimaschutz zu debattieren. In der Berichterstattung wurde gesagt, die Grünen seien motiviert, mehr Klimaschutz in der Ampel zu ermöglichen. Pustekuchen. Statt echten Klimaschutz gegen die neoliberalen pseudo-freiheitlichen durchzusetzen, wurden die Sektorenziele, also die verbindlichen Ziele in jedem Ministerium, abgeschafft. Nun ist Volker Wissing nicht mehr unter Druck, CO2 im Verkehr einzusparen. Damit dürften wichtige Reformen wie Tempolimit und mehr Geld für den ÖPNV erstmal nicht zu erwarten sein.
Der Klima-Volksentscheid in Berlin ist am Quorum gescheitert. Berlin hatte die Möglichkeit, als erste Großstadt der Welt bis 2030 klimaneutral zu werden und somit das pariser Klimaabkommen einzuhalten. 51% haben für den Entscheid gestimmt. Gescheitert ist es am Ende nur an der Wahlbeteiligung. Knapp 850 000 Menschen haben abgestimmt. Luisa Neubauer wirft der Berliner Regierung vor, sie habe den Entscheid bewusst nicht am Nachwahltermin stattfinden lassen, um ihn zu sabotieren.
Globaler Süden leidet
Der IPCC hat Mitte des Monats einen Zwischenbericht veröffentlicht, der alles bereits befürchtete unterstreicht und als – in dieser Form – noch nie dagewesener Hilferuf zu verstehen ist. Auf hunderten Seiten wird zusammengefasst, wie es ums Klima steht: Die globale Erwärmung hat bislang 1,1-1,2 Grad zugenommen. Das hat zur Folge, dass schon jetzt die Lebensgrundlagen vieler Menschen im globalen Süden gefährdet bis sehr gefährdet sind. Im Bericht heißt es, es sei „wahrscheinlich” noch nicht zu spät. Die deutsche Klimadiplomatie wurde hingegen gelobt: Deutschland setze sich global überdurchschnittlich für Klimaschutz ein.
Das Willow Projekt hat diesen Monat global für Aufmerksamkeit gesorgt. Biden plant Ölbohrungen in Alaska zu veranlassen, die im Laufe von 30 Jahren knapp 280.000.000 Tonnen CO2 ausstoßen werden. Dieses Projekt wurde international von sehr vielen Menschen kritisiert. Bereits mehr als 5 Millionen Menschen haben eine Petition, die Biden auffordert, das Projekt zu stoppen, unterschrieben. Die Petition findest du hier.
USA und EU sichern auf der „Our Ocean“-Konferenz Geld für Meeresschutz zu.Insgesamt sollen 2023 etwa 6,5 Milliarden Euro für das „Schützen, Wiederbeleben und Pflegen” der Ozeane bereitgestellt werden. Das ist eine bislang einzigartig hohe Summe. 77 Projekte sollen davon finanziell gestützt werden. Umweltschutzorganisationen loben den Schritt, kritisieren aber die fehlende Weitsicht und merken an, es sei noch viel zu wenig. Alleine das Befreien der Ozeane von hunderten-millionen Tonnen Plastikmüll sei ein unermesslicher Aufwand.
FridaysForFuture (FFF) hat auch diesen März global zum Klimastreik aufgerufen. In Deutschland hat FridaysForFuture erstmals gemeinsam mit Verdi für eine klimagerechte Verkehrswende protestiert. 220.000 Menschen konnten hierzulande für bessere Bezahlung und mehr Geld für den ÖPNV mobilisiert werden. International waren es schätzungsweise über eine Million Menschen.
Neben der Verkehrswende stand auch Solidarität mit den Menschen im globalen Süden auf der Tagesordnung. Eben diese, die selbst nur sehr wenig zur Klimakrise beigetragen haben, spüren die aktuelle Klimaerwärmung am stärksten. Dafür braucht es globale Ausgleichszahlungen und einen sogenannten Schuldenschnitt, also ein Erlassen aller Schulden der Staaten im globalen Süden, um die Klima-Schulden der Industriestaaten zumindest teilweise wieder auszugleichen.
Deutschland hat zwar die ökologischste Regierung seiner Geschichte, die Arbeit der Ampel in Sachen Klimaschutz ist aber mehr als unausreichend. Zur CO2Reduktion fehlen der Regierung grundlegende Pläne und Ziele. Statt sich für das Erreichen der Ziele – vor allem im Verkehrsbereich – einzusetzen, schafft „Klimakanzler Scholz” die Ziele lieber ab.
Deutschland leistet seinen gerechten Beitrag zu 1,5 Grad bei weitem nicht. Und damit setzt es ein Zeichen in die Welt à la „Klar, wir könnten uns Klimaschutz schon leisten, doch die Menschen im globalen Süden sind es uns nicht wert.” Es braucht diesen Klimaschutz jedoch, um die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen zu erhalten. Klimaschutz ist nicht verhandelbar, auch nicht mit Neoliberalen in der Regierung.
Klar muss sein: Die Klimakrise ist ein vom Kapitalismus gemachtes Problem und kann nur von einer Regierung, die in den Markt eingreift, geregelt werden. Und solange diese den Klimaschutz nicht ausreichend auf die Agenda setzt, braucht es Protest. Protest, wie ihn FridaysForFuture und Verdi auf die Straße tragen.
Ein Gastbeitrag von Luca Barakat